von Ewald Maitz
Zahlreiche Urteile des OGH zu Klauseln in der Unfallversicherung veranlassten den VVO, die Musterbedingungen AUVB zu überarbeiten. Manches ist gelungen, manches weniger.
ALLGEMEINES
Auf den ersten Blick erkennt man eine Neustrukturierung der AUVB. Die AUVB wurden „schlanker“ und wesentlich übersichtlicher. Die Struktur ist klarer. Erfreulich ist, dass der neue Artikel 1 den Geltungsbereich und den Versicherungsfall samt Unfallbegriff enthält. Darauf folgen in Artikel 2 passend dazu die Leistungsbausteine (Dauernde Invalidität, Todesfall, ...). Damit der Versicherungsnehmer erkennt, welche Leistungseinschränkungen es gibt, folgen in Artikel 3 und Artikel 4 die sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes sowie die Risikoausschlüsse. Die restlichen Bestimmungen findet man im Anschluss daran von Artikel 5 bis Artikel 13. Man kann die Neustrukturierung der AUVB als sehr gelungen ansehen.
UNFALLBEGRIFF
Der klassische Unfallbegriff wurde unverändert von den alten AUVB übernommen.
Unfallfiktion (erweiterter Unfallbegriff): Artikel 1.2.2 enthält eine Aufzählung von Verletzungen, die auch ohne Vorliegen eines Unfalles nach der Definition von Artikel 1.2.1 versichert sind. Es entfällt somit für diese Gesundheitsschäden die Voraussetzung des Unfallereignisses von Artikel 1.2.1. Der VVO hat in seinen Musterbedingungen diese offene Formulierung gewählt. Neu ist in den Musterbedingungen des VVO AUVB 2022 die zusätzliche Voraussetzung der „Plötzlichkeit“. Im Unterschied zum klassischen Unfallbegriff des Artikel 1.2.1 bezieht sich hier die Plötzlichkeit nicht auf das Schadenereignis, sondern auf die Gesundheitsschädigung, weil diese bei der Unfallfiktion den Versicherungsfall darstellt. Fraglich ist, ob diese geänderte Formulierung wesentliche Auswirkungen auf die Praxis im Schadenfall hat. Zu befürchten ist, dass diese Änderung unnötige Diskussionen führen wird, weil man vor allem in der Argumentation (unrichtigerweise) aus Sicht des Versicherers fordern könnte, dass das Ereignis plötzlich eingetreten sein muss.
DAUERNDE INVALIDITÄT
Hier wurde eine Klarstellung in den AUVB ergänzt: „Stirbt die versicherte Person aus unfallfremder Ursache innerhalb eines Jahres nach dem Unfall oder - gleichgültig aus welcher Ursache - später als ein Jahr nach dem Unfall, ist nach jenem Invaliditätsgrad zu leisten, mit dem aufgrund der zuletzt erhobenen ärztlichen Befunde zu rechnen gewesen wäre.“ Auch in älteren AUVB gilt dies jedoch ungeschrieben. Dazu ein Hinweis auf einen relevanten Marktunterschied: Kein Anspruch auf Invaliditätsleistung besteht nach den Bedingungen der Muki Versicherung, wenn die versicherte Person innerhalb eines Jahres nach dem Unfall stirbt. Der Versicherer macht hier keinen Unterschied, ob die versicherte Person aufgrund des Unfalles oder aus unfallfremder Ursache verstirbt. Erleidet die versicherte Person einen Unfall und muss eine Amputation des Beines durchgeführt werden, ist der Versicherer nach dieser Formulierung leistungsfrei, wenn die versicherte Person innerhalb eines Jahres ab dem Unfalltag etwa an den Folgen eines Herzinfarktes verstirbt. Diese Bestimmung hält der Klauselkontrolle wohl nicht stand, weil diese Bestimmung einerseits gröblich benachteiligend für den Versicherungsnehmer iSd § 879 Abs 3 ABGB und zum anderen überraschend für den Versicherungsnehmer (§ 864a ABGB) ist.
UNFALLRENTE
Leistungsvoraussetzung in den AUVB 2022 ist, dass ein bestimmter Mindestinvaliditätsgrad erreicht wird. Interessant ist, dass die AUVB für die Unfallrente keine Dauerinvalidität voraussetzen, sondern nur einen Invaliditätsgrad – also nur eine Invalidität. Der Verweis auf Artikel 2.1 ist wohl nicht ausreichend, um eine Dauerinvalidität als Leistungsvoraussetzung zu erkennen. Der Versicherer muss daher auch bei nur vorübergehender Invalidität leisten. Das hat zur Folge, dass beim Anspruch auf eine Unfallrente eine dauernde Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall nicht eintreten muss und diese auch nicht beim Versicherer unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes geltend gemacht werden muss. Auch die Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Dauerinvalidität (iSd Artikel 2.1) ist für die Unfallrente nicht anzuwenden. Auch eine jährliche Neubemessung bis x Jahre ab dem Unfalltag ist für die Unfallrente nicht vorgesehen. Nachdem als Leistungsvoraussetzung in der Unfallrente eine Invalidität ausreichend ist, werden aber jedenfalls der Versicherer und der Versicherungsnehmer eine Neubemessung durchführen können. Eine zeitliche Begrenzung gibt es dafür nicht. Fraglich ist, ob all dies bei der Formulierung der AUVB vom Verfasser so gewollt war. Dem Versicherer ist bei der Formulierung seiner Hausbedingungen zu empfehlen, die Bestimmungen zur Dauerinvalidität (Dauerinvalidität als Leistungsvoraussetzung, Geltendmachung, Neubemessung) auch für die Unfallrente zu übernehmen.
WEITERE ÄNDERUNGEN
Beim Taggeld wird nun auf eine entgeltliche Tätigkeit abgestellt. Insofern liegt hier eine Leistungseinschränkung gegenüber den älteren Bedingungen vor.
Bei FSME und anderen Infektionskrankheiten wurde nun eindeutig geregelt, dass eine Leistung nur für die Leistungsbausteine Tod und Dauerinvalidität erfolgt.
Abgeändert wurden insbesondere auch der Motorsportausschluss (Erweiterung auf „Fahren auf Rennstrecken“), der Luftfahrtausschluss, die sachlichen Begrenzungen des Versicherungsschutzes (Ausschluss für Schlaganfall wurde ergänzt). Ergänzt wurde auch ein eigener Terrorausschluss, der in älteren Bedingungswerken nicht vorhanden war.
Die Schadenkündigungsmöglichkeit für den Versicherer wurde insofern eingeschränkt, als er nicht mehr beim ersten noch so kleinen Schadenfall kündigen kann. Ob diese neue Bestimmung einer gerichtlichen Beurteilung standhält, ist jedoch offen.
FAZIT
Die Neustrukturierung ist gelungen. Einige Bestimmungen sollte der Versicherer aus Eigeninteresse nicht 1:1 aus den Musterbedingungen übernehmen und es gibt nach wie vor Klauseln, die der gerichtlichen Kontrolle wohl nicht standhalten werden.